International Tax News – Teil 2

Der wirtschaftliche Arbeitgeber im DBA-Kontext: Neue Klarheit durch BFH-Urteil vom 12.12.2024

Warum der Arbeitgeberbegriff entscheidend ist

Artikel 15 Absatz 2 des OECD-Musterabkommens regelt, unter welchen Voraussetzungen das Besteuerungsrecht für Einkünfte aus unselbstständiger Arbeit beim Ansässigkeitsstaat verbleibt. Dafür müssen alle drei folgenden Bedingungen kumulativ erfüllt sein:

  1. Der Mitarbeitende hält sich im Tätigkeitsstaat nicht länger als 183 Tage innerhalb eines maßgeblichen Zwölfmonatszeitraums auf.
  2. Die Vergütung wird von einem Arbeitgeber gezahlt, der nicht im Tätigkeitsstaat ansässig ist.
  3. Es besteht keine Betriebsstätte des Arbeitgebers im Tätigkeitsstaat.

Die zweite und dritte Bedingung setzen voraus, dass klar bestimmt werden kann, wer als Arbeitgeber im abkommensrechtlichen Sinne gilt. Denn wenn eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt ist – etwa, weil der wirtschaftliche Arbeitgeber im Tätigkeitsstaat ansässig ist – greift das Tätigkeitsortprinzip und der Tätigkeitsstaat darf anteilig besteuern.

Was ist ein wirtschaftlicher Arbeitgeber?

Der Begriff des „Arbeitgebers“ wird im DBA-Kontext wirtschaftlich-funktional ausgelegt – nicht rein zivilrechtlich. Maßgeblich ist, wer die Arbeitsleistung wirtschaftlich verwertet, nicht, wer im Arbeitsvertrag genannt ist.

Die Beurteilung erfolgt anhand folgender Kriterien:

  • Tragung der Gehaltskosten: Wer trägt die Vergütung wirtschaftlich?
  • Eingliederung in die Organisation: Ist der Mitarbeitende in die Strukturen und Abläufe der ausländischen Einheit eingebunden?
  • Weisungsbefugnis: Wer bestimmt Inhalt, Umfang und Ausführung der Tätigkeit?
  • Verantwortung und Nutzen: Wer profitiert wirtschaftlich von der Arbeitsleistung?
  • Dauer und Intensität: Handelt es sich um eine kurzfristige Unterstützung oder eine dauerhafte Eingliederung?

Diese Kriterien helfen zu bestimmen, ob die Arbeitgeberfunktion beim inländischen Unternehmen verbleibt oder auf eine ausländische juristische Einheit (z. B. Tochtergesellschaft) übergeht.

BFH-Urteil vom 12.12.2024: Betriebsstätten sind keine Arbeitgeber

Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 12.12.2024 (VI R 25/22, DStR 2025, 891) klargestellt:

„Betriebsstätten sind keine Arbeitgeber im abkommensrechtlichen Sinne.“

Selbst wenn die Vergütung über eine ausländische Betriebsstätte abgewickelt wird, bleibt das Stammhaus regelmäßig der lohnsteuerlich relevante Arbeitgeber – auch bei finanzieller Trennung. Eine Betriebsstätte ist keine eigenständige juristische Person und kann daher nicht wirtschaftlicher Arbeitgeber sein.

Steuerliche Konsequenz bzgl. des maßgeblichen Arbeitgebers i. S. d. DBA

Da eine ausländische Betriebsstätte nicht den Arbeitgeberstatus im abkommensrechtlichen Sinne übernehmen kann, bleibt das Stammhaus in Deutschland der maßgebliche Arbeitgeber. Das hat zur Folge: Bereits ein einzelner Arbeitstag, der physisch in Deutschland verbracht wird, unterliegt dem deutschen Besteuerungsrecht gemäß Artikel 15 OECD-Musterabkommen – unabhängig von der Dauer des Arbeitseinsatzes oder der Betriebsstätten-Zuordnung.

Praxisbeispiel: Österreich – Deutschland

Ein Mitarbeitender eines deutschen Arbeitgebers ist in Österreich ansässig und einer Betriebsstätte des deutschen Arbeitgebers in Österreich zuzuordnen. Die Vergütung wird über diese österreichische Betriebsstätte abgewickelt. Der Mitarbeitende kommt für einen Arbeitstag zur Teilnahme an einem betrieblichen Meeting zum Sitz des Arbeitgebers nach Deutschland.

  • Der maßgebliche wirtschaftliche Arbeitgeber sitzt in Deutschland, da die österreichische Betriebsstätte keine eigenständige Arbeitgeberfunktion übernehmen kann.
  • Verbringt der Mitarbeitende einen Arbeitstag physisch in Deutschland, ist dieser Tag in Deutschland steuerpflichtig gemäß Artikel 15 des DBA zwischen Deutschland und Österreich.
  • Die 183-Tage-Ausnahme greift nicht, da der Arbeitgeber in Deutschland ansässig ist.

Praxistipps für HR-Verantwortliche

  • Prüfen Sie bei Auslandseinsätzen sorgfältig, wer wirtschaftlicher Arbeitgeber ist – insbesondere bei Einsätzen über Betriebsstätten.
  • Beachten Sie, dass einzelne Inlandstage steuerpflichtig sein können, auch bei formaler Zuordnung zu einer ausländischen Betriebsstätte.
  • Dokumentieren Sie Tätigkeitsorte und Reisetage zentral und nachvollziehbar.

Fazit: Klarheit durch Rechtsprechung – Verantwortung bei HR

  • Das BFH-Urteil bringt dringend benötigte Klarheit: Eine Betriebsstätte ist nicht Arbeitgeber im Sinne des DBA.
  • Für HR-Abteilungen bedeutet das: Lassen Sie anspruchsvolle Fälle frühzeitig durch Fachleute prüfen – insbesondere im Hinblick auf Verträge und Payroll-Prozesse.

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