Arbeitsrechtliche Fragen des Brexit

Die Trennung des Vereinigten Königreichs von der EU hat zu zahlreichen Unsicherheiten im Arbeitsrecht geführt. Auch das Austrittsabkommen vom 17.10.2019 sowie das Handels- und Kooperationsabkommen (HKA) haben diese Unsicherheiten nicht aufgeklärt. Nachfolgend soll ein genauerer Blick auf die Fragen des Arbeitsrechts in Bezug auf den Brexit geworfen werden.

Zunächst lässt sich einmal festhalten, dass der Austritt aus der EU dazu geführt hat, dass alle bisherigen Rechte und Pflichten zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich erloschen sind. Dementsprechend sind auch die Vorgaben der EU zum Arbeitsrecht für UK nichtig. Zwar gibt es neue Verträge zwischen den beiden Parteien, diese sind jedoch merklich unter Zeitdruck geschrieben worden. So erweisen sie sich als überaus unstrukturiert und schwer nachvollziehbar.

Arbeitnehmerfreizügigkeit

Nach Jahren der Zusammenarbeit haben sich bereits viele EU-Bürger in dem Vereinigten Königreich niedergelassen und vice versa. Aber durch den Brexit ist dieser Aufenthalt nicht mehr so einfach wie zuvor. Mit dem 01.01.2021 ist die Arbeitnehmerfreizügigkeit außer Kraft getreten und es werden wieder Aufenthaltstitel benötigt.

Zur Vereinfachung ist im Austrittsabkommen geregelt, dass Personen sowie ihre Familienangehörigen, die am 31.12.2020 im jeweils anderen Gebiet gelebt haben, ohne dass ihr rechtmäßiger Aufenthalt bereits ununterbrochen fünf Jahre gedauert hat, zunächst ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht beantragen können (so genannter „pre settled status“). Sobald ihr rechtmäßiger ununterbrochener Aufenthalt dann fünf Jahre erreicht hat, erlangen auch diese Personen ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht (Art. 16 Austrittsabkommen). Ob ein Aufenthalt in relevanter Weise unterbrochen wird, richtet sich nach weiteren, im Austrittsabkommen und Richtlinien vorhandenen, Abkommen. Danach liegt so lange keine Unterbrechung eines Aufenthalts vor, wie vorübergehende Abwesenheiten insgesamt sechs Monate in einem Jahr nicht überschreiten oder durch militärische Pflichten begründet sind oder aus wichtigen Gründen wie Schwangerschaft, Niederkunft, schwere Krankheit, Studium, Berufsausbildung oder beruflicher Entsendung erfolgen und zwölf aufeinanderfolgende Monate nicht überschreiten. Wurde ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht einmal erworben, führt nur eine Abwesenheit vom Aufnahmestaat von mehr als fünf aufeinanderfolgenden Jahren zu dessen Verlust.

Dienstleistungsfreiheit

Ebenso wie die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist auch die Dienstleistungsfreiheit erloschen. Im Grundsatz gilt daher: Die Erbringung von Dienstleistungen durch EU-Bürger im Vereinigten Königreich und andersherum ist nur noch mit Genehmigung möglich.

Das Handels- und Kooperationsabkommen regelt Ausnahmen dieser Genehmigungspflicht.

Ausnahmen von der Genehmigungspflicht für die Dienstleistungserbringung

Die erste Ausnahme gilt „für kurze Zeit einreisende Geschäftsreisende“. Diesen ist es z.B. gestattet, an Meetings teilzunehmen, Vertragsverhandlungen über Dienstleistungen/Waren zu führen und verkaufsnahe Dienstleistungen zu erbringen. Für diese Ausnahme müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Die Geschäftsreisenden dürfen weder Waren an die breite Öffentlichkeit verkaufen noch dieser gegenüber Dienstleistungen erbringen
  • Die Geschäftsreisenden dürfen in eigenem Namen keine Vergütung aus dem Gastland (von einer dortigen Quelle) erhalten.
  • Dürfen die Geschäftsreisenden keine Dienstleistungen im Rahmen eines Vertrags zwischen einer juristischen Person, die im Gastland nicht niedergelassen ist, und einem Verbraucher aus dem Gastland erbringen.

Die Höchstdauer des Aufenthalts von „für kurze Zeit einreisende Geschäftsreisende“ beträgt bis zu 90 Tage in einem Sechsmonatszeitraum.

Die zweite Ausnahme ist für die Erbringung von Dienstleistungen. Diese erfasst „zu Niederlassungszwecken einreisende Geschäftsreisende“. Dies sind Führungskräfte einer juristischen Person, die im Gastland für die Gründung eines Unternehmens der juristischen Person verantwortlich sind und dir dort nur solche Dienstleistungen anbieten oder erbringen oder andere wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben, die für die Gründung erforderlich sind. Auch hier gilt: Keine Vergütung aus einer Quelle im Gastland und maximal bis zu 90 Tage in einem Sechsmonatszeitraum.

Von der EU und dem Vereinigten Königreich zu ermöglichende Dienstleistungen

Das HKA sieht nicht nur Ausnahmen von der Pflicht zur Genehmigung der Dienstleistungserbringung vor. Es regelt auch bestimmte Dienstleistungen, die UK und die EU „ermöglichen“ müssen. Inwiefern die Parteien und deren Mitgliedsstaaten eine Genehmigung für die Erbringung dieser Dienstleistungen fordern, bleibt ihnen selbst überlassen. Da sich das HKA auf Vorschriften bezieht in denen allerdings auf einen Zeitpunkt der „Antragsstellung“. Demnach ist davon auszugehen, dass die Parteien des Abkommens zumindest von einem irgendwie gelagerten Antragsbedürfnis ausgegangen sind.

  1. a) UK und EU müssen „Erbringern vertraglicher Dienstleistungen“ die Einreise und den Aufenthalt ermöglichen.
  • Erbringer vertraglicher Dienstleistungen sind nach dem HKA natürliche Personen, die bei einer juristischen Person aus UK oder der EU beschäftigt werden, die nicht in dem jeweils anderen Gebiet niedergelassen ist und die einen Dienstvertrag mit einer Laufzeit von maximal zwölf Monaten geschlossen hat, der die vorübergehende Anwesenheit ihrer Arbeitnehmer in dem Gebiet erfordert.
  • Die Arbeitnehmer müssen der juristischen Person die zu erbringenden Dienstleistungen seit mindestens einem Jahr vor dem Datum ihres Antrags auf Einreise „angeboten“ haben.
  • Außerdem müssen sie zu diesem Zeitpunkt in dem Tätigkeitsbereich, auf den sich der Dienstvertrag bezieht, über mindestens drei Jahre Berufserfahrung seit ihrer Volljährigkeit verfügen und einen Hochschulabschluss oder eine Qualifikation, die gleichwertige Kenntnisse vermittelt, vorweisen können
  • Zuletzt müssen die Arbeitnehmer, die gesetzlich erforderliche Berufsqualifikation zur Ausübung der Tätigkeit o, Gastland innehaben und dürfen keine Vergütung von einer dortigen Quelle erhalten.

Zudem müssen die Parteien des HKA Einreise, Aufenthalt und Dienstleistungen von „Erbringern vertraglicher Dienstleistungen“ zudem nur für bestimmt Tätigkeiten und Branchen ermöglichen. Es gibt jedoch auch noch Rückausnahmen (SERVIN-4 Nr. 10, 12,13 zum HKA). Dafür ist der Aufenthalt der Erbringer für die Laufzeit des Dienstvertrages der juristischen Person und somit längstens 12 Monate zu gewähren.

  1. b) Die Parteien und Mitgliedstaaten müssen des Weiteren den Aufenthalt, die Einreise sowie die Beschäftigung – und somit Dienstleistungen – so genannter „unternehmensintern transferierten Personen“ ermöglichen.
  • Unternehmens transferierte Personen sind lt. HKA natürliche Personen, die unmittelbar vor Beginn der Einreise seit mindestens einem Jahr als Führungskräfte oder Spezialisten oder seit mindestens sechs Monaten als Trainees bei einer juristischen Person in UK oder EU beschäftigt oder an ihr beteiligt sind und vorübergehend in ein Unternehmen der juristischen Person im jeweils anderen Gebiet versetzt werden.
  • Dabei dürfen die natürlichen Personen zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht bereits im jeweils anderen Gebiet ansässig sein

Der Aufenthalt von „unternehmensinternen transferierten Personen“ kann bei Führungskräften und Spezialisten bis zu 3 Jahre und bei Trainees bis zu einem Jahr dauern.

Sozialversicherungen

Eine schwerwiegende Folge des Brexits ist, dass das europäische Recht der Koordinierung der Sozialversicherung außer Kraft getreten ist. Die Parteien haben sich aber zunächst auf eine fast deckungsgleiche Übernahme der bisherigen Regelungen geeinigt.

Der Grundsatz der Sozialversicherungspflicht nach dem gewöhnlichen Beschäftigungsort des Arbeitnehmers gilt weiterhin.

Die Protokoll zum HKA ist ausweislich seines Art. SSC.70 zunächst für 15 Jahre gültig. Spätestens ein Jahr vor Ablauf dieser Frist sollen die Parteien eine Verhandlung zur Aktualisierung dieses Protokolls aufnehmen.

 

Hinweis für unsere Kunden: Wir helfen Ihnen gern bei den entsprechenden Antragstellungen und der Umsetzung des Einreiseprozesses. Gern können Sie uns zu den Themen jederzeit ansprechen. Wir sind auf dem Gebiet tagtäglich für unsere Kunden im Einsatz.

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