Brexit update: Mögliche Regelungen und Auswirkungen bei grenzüberschreitenden Tätigkeiten

Am 31.01.2020 endete die Mitgliedschaft Großbritanniens in der Europäischen Union. Das Ende der Übergangsphase bringt auch das Ende der europäischen Dienstleistungsfreiheit sowie der Freizügigkeit mit sich.

Welche Regelungen nun für Dienstreisen und vorübergehende Dienstleistungserbringungen gelten könnten, wie die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Zweige der Sozialversicherung aussehen und was das neue britische Einwanderungsgesetz im Entwurf vorsieht, wird im Folgenden erläutert.

 

Mögliche Dienstreiseregelungen

Zu Beginn 2021 werden Geschäftsreisen und Dienstleistungserbringung nicht mehr uneingeschränkt möglich sein. Aber wie werden diese Reisen zukünftig geregelt? Dazu bestehen bereits Vorschläge von beiden Seiten.

In den bislang ausgearbeiteten Entwürfen der Freihandelsabkommen, ist festgeschrieben, dass es künftig verschiedene Kategorien von Geschäftsreisen geben wird. Die Zugehörigkeit zu einer der Kategorien setzt ggf. besondere Voraussetzungen voraus oder löst Rechtsfolgen aus. Folgende Kategorien sind bislang bestimmt: Geschäftsreisende, angestellte sowie selbstständige Dienstleistungserbringer, Geschäftsreisende zum Aufbau einer Dependance und eine Kategorie für Trainees bzw. Führungskräfte, die innerhalb einer Unternehmensgruppe reisen.

 

Beispiel Dienstleistungserbringer

Dienstleistungserbringer bezeichnet Personen, die im Auftrag ihres Arbeitgebers eine Dienstleistung im Ausland erbringen, bspw. Montagen oder Beratungsleistungen.

Sowohl die EU als auch Großbritannien haben den Umgang mit dieser Kategorie im Entwurf erfasst. Per Definition ist ein Dienstleistungserbringer eine natürliche Person, die ein Anstellungsverhältnis mit einem Arbeitgeber hat, der über keine Geschäftseinrichtung im Zielland der Dienstleistung verfügt. Zwischen dem Arbeitgeber und dem Unternehmen muss ein Dienstleistungsvertrag vorliegen. Weiterhin gibt es konkrete Anforderungen an die Mitarbeitenden, die die Dienstleistungen im Zielland erbringen sollen: mindestens ein Jahr Anstellung, mindestens drei Jahre Berufserfahrung, eine ausreichende Berufsqualifizierung, die für die Tätigkeit erforderlich ist. Außerdem darf keine Entlohnung von einer Quelle im Zielland bezogen werden.

Allerdings gibt es bislang einen wichtigen Vorbehalt: durch bestimmte Anhänge in den Handelsabkommen kann es gegebenenfalls zu Einschränkungen und Ausnahmen wie z.B. eine zahlenmäßige Deckelung oder eine vorherige Bedarfsanalyse kommen. Denkbar ist auch eine komplette Sperrung des Marktes für bestimmte ausländische Dienstleistungen.

 

Beispiel Geschäftsreisende

Geschäftsreisende sind typischerweise unterwegs, um Verträge zu akquirieren und zu verhandeln, erforderliche Genehmigungen zu beantragen o.ä.

Damit es sich um eine Geschäftsreise handelt müssen folgende Voraussetzungen getroffen werden: kein Verkauf von Waren oder Dienstleistungen an die Öffentlichkeit; keine Vergütung aus einer Quelle in dem Land des vorübergehenden Aufenthalts, keine Erbringung einer Dienstleistung im Rahmen eines Vertrages mit einem Kunden im Zielland.

Bei Erfüllung aller Voraussetzungen sehen beide Handelsabkommensentwürfe vor, dass eine Einreise ohne Arbeitserlaubnis möglich sein soll. Der britische Entwurf befristet Geschäftsreisen auf 90 Tage innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten und der europäische Entwurf auf 90 Tage innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten. Diese Entwürfe sind noch nicht final.

 

Das deutsche Einwanderungsrecht

Großbritannien wird bis zum 31.12.2020 weiterhin wie ein EU-Mitgliedsstaat behandelt. D.h. auch, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit erhalten bleibt. Die Beschäftigung von britischen Arbeitnehmern in Deutschland ist somit während dieser Übergangsphase unproblematisch.

Für den Fall eines ungeregelten Austritts (no deal Brexit) hat Deutschland zwischenzeitlich eine Regelung zur Arbeitsmarktzulassung in Deutschland erlassen. Diese „Fünfte Verordnung zur Änderung der Beschäftigungsverordnung“ unterscheidet dabei zwischen britischen Staatsbürgern, die bereits vor einem ungeregelten Austritt in Deutschland lebten und arbeiteten, und denjenigen Briten, die erst nach dem ungeregelten Austritt neu nach Deutschland einreisen werden.

Briten, die bereits vor dem ungeregelten Austritt in Deutschland lebten und arbeiteten, wird weiterhin ein freier Arbeitsmarktzugang gewährt und bestehende Arbeitsverhältnisse sollen ohne Unterbrechung unbürokratisch fortgesetzt werden können. Ein Arbeitsvertrag genügt in diesen Fällen zur Erteilung eines Aufenthaltstitels, ohne Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit.

Erfolgte die Einreise nach Deutschland erst nach dem ungeregelten Austritt, sieht vorgenannte Änderung der Beschäftigungsverordnung eine zeitliche Staffelung zum Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt vor:

  • Einreise von britischen Staatsangehörigen in den ersten 14 Monaten nach einem ungeregelten Austritt: Ausübung einer Beschäftigung ohne dass die Bundesagentur für Arbeit zustimmen muss.

 

  • Einreise von britischen Staatsangehörigen zwischen dem 15. und 26. Monat nach einem ungeregelten Austritt: Sie erhalten den selben privilegierten Arbeitsmarktzugang, wie Staatsangehörige wichtiger Handelspartner (z. B. aus den USA oder Kanada). Sie sollen mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit jede Beschäftigung ausüben dürfen; die Zustimmung erfolgt inklusive Vorrangprüfung.

 

Das britische Einwanderungsrecht

Die britische Regierung arbeitet derzeit an einem neuen Einwanderungsrecht, das für EU- und Nicht-EU-Bürger gleichermaßen gelten soll. Die Vorstellungen der Regierung wurden bereits konkretisiert. Aus aktueller Sicht könnte es so aussehen, dass diese wie folgt durchgeführt werden:

Für EU-Bürger, die bis zum Ende der Übergangsphase in Großbritannien ansässig sind und sich dauerhaft zu Arbeitszwecken in Großbritannien aufhalten möchten, kann eine EU Settlement Scheme beantragt werden. Dadurch können zwei Kategorien genehmigt werden: settled scheme (mehr als 5 Jahre) und pre-settled scheme (weniger als 5 Jahre). Welches von beiden ausgestellt wird hängt von den gegebenen Voraussetzungen ab (wie lange man z.B. zum Zeitpunkt der Antragstellung in Großbritannien gelebt hat). Die Antragstellung kann ab sofort bis zum 30.06.2021 (mit einem Abkommen) oder bis zum 31.12.2020 (ohne ein Abkommen) gestellt werden. Mit dem Status besteht auch die Möglichkeit sich außerhalb von Großbritannien bis zu 5 Jahren (bei settled scheme) ohne Unterbrechung aufzuhalten ohne dass der Status erlischt. Bei pre-settled scheme beträgt die Dauer bis zu 2 Jahre.

Nach dem Ende der Übergangsphase werden sich Unternehmen, die europäische Arbeitskräfte akquirieren möchten, mit einem ganz neuen Regelwerk auseinandersetzen müssen. Für die Praxis am bedeutsamsten wird die „skilled workers route“ sein, also eine Einwanderungsmöglichkeit für Fachkräfte.

Um als Arbeitnehmer dauerhaft in Großbritannien leben und arbeiten zu können, wird künftig ein Punktesystem herangezogen. Demnach müssen mindestens 70 Punkte erreicht werden. Hierbei gibt es 3 Hauptkriterien die immer erfüllt sein müssen: Stellenangebot eines zertifizierten Arbeitgebers mit einem Mindestgehalt von GBP 20.480,00 (20 Punkte), die Qualifikation muss auf das Stellenangebot passen (mindestens Abitur) (20 Punkte) und ausreichende Englischkenntnisse (10 Punkte). Sofern die Punkte erreicht werden müssen noch weitere verwaltungstechnische Herausforderungen bewältigt werden. Der Arbeitgeber muss z.B. als zertifizierter Sponsor fungieren.

Genauere Regelungen werden künftig noch verfeinert.

 

Sozialversicherungsrecht

In dem zwischen der EU und Großbritannien vereinbarten Austrittsankommen wurden auch rechtliche Rahmenbedingungen für die Zweige der Sozialversicherung für die Übergangsphase bis 31.12.2020 vereinbart. 

Während der Übergangsphase finden die Verordnungen (EG) 883/04 und 987/09 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit sowie für Drittstaatangehörige die Verordnung (EG) 859/i.V.m.  den Verordnungen (EWG) 1408/71 und 574/72 weiterhin Anwendung.

Dies bedeutet, dass Arbeitnehmer bei Entsendungen in das Vereinigte Königreich weiterhin bis zum 31.12.2020 A1-Bescheinigungen benötigen. Für Entsendungen, die spätestens am 31.12.2020 beginnen, können A1-Bescheinigungen für den maximal zulässigen Zeitraum von bis zu 24 Monaten ausgestellt werden. Hierfür müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:

  • Die Entsendung beginnt spätestens am 31. Dezember 2020, dem voraussichtlichen Ende der Übergangsphase.
  • Die entsendete Person unterliegt deutschem Sozialversicherungsrecht und ist am 31. Dezember 2020 im Vereinigten Königreich erwerbstätig.
  • Die Person befindet sich ununterbrochen in dieser Situation.
  • Die Voraussetzungen gemäß Artikel 12 der Verordnung (EG) 883/2004 sind erfüllt.

 

Derzeit finden Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien statt. Auch die Thematik der Sozialversicherung während des Auslandsaufenthalts wird in den Entwürfen angesprochen. Der europäische Entwurf sieht vor, dass entsendete Personen ihre Sozialabgaben weiterhin in ihrer Heimat zahlen sollen, wenn die voraussichtliche Dauer der Entsendung nicht 24 Monate übersteigt und die Entsendung nicht zur Ablösung eines anderen Mitarbeiters erfolgt. Die britische Seite schlägt währenddessen ein getrenntes Sozialversicherungsabkommen vor. Dieses sieht in dessen Entwurf eine identische Regelung vorsieht.

Die Rechtslage bezüglich der Sozialversicherung nach dem 31.12.2020 ist aus aktueller Sicht noch völlig unklar und derzeit noch nicht entschieden.

 

Steuerrecht

Das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und UK vermeidet die doppelte Besteuerung von Einkünften durch beide Staaten. Trotz des EU-Austritts Großbritanniens bleibt es weiterhin uneingeschränkt anwendbar.

Eigentlich würde dieser Tatsache entgegenstehen, dass viele begünstigende Vorschriften des deutschen Einkommensteuergesetzes von einer EU-Mitgliedschaft abhängig sind. Allerdings reicht in fast allen Vorschriften auch eine Mitgliedschaft im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) aus, um deren räumlichen Anwendungsbereich zu eröffnen. Sollten sich die Briten also nach dem Brexit entscheiden, dem EWR beizutreten, sind die meisten einkommensteuerlichen Vorschriften unverändert anwendbar.

 

Bei den zuvor ausgeführten Informationen handelt es sich um Entwürfe und mögliche Regelungen, die noch nicht final beschlossen sind. Wir beobachten die Entwicklung rund um das Thema Brexit stetig. Im November planen wir hierzu ein Brexit-Special-Seminar.

Aktuelle Informationen finden Sie jederzeit auf unserer Homepage.

 

 

 

 

 

 

 

 

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